Nozizeption, Okklusion und Statik – Lydia Aich
Das Kauorgan ist im Gesunden eine harmonische Funktion aus Zähnen,
Zahnhalteapparat, Ober – und Unterkiefer, Zunge, Kaumuskulatur und
Kiefergelenk. Es hat mehrere Aufgaben :
- Essen und Kauen
- Kommunikation
- Stressverarbeitung
- Kopfhaltung
- Körperstatik
- Ästhetik
Das Kausystem ist der einzige Teil des Bewegungsapparates dessen
Bewegung in einem Hartgewebekontakt endet – der Okklusion der Zähne !
Okklusion bedeutet Verschließung oder Verschluss und ist die normale
Schlussbissstellung der Zähne, d.h. jeglicher Kontakt zwischen Zähnen
des Oberkiefers und des Unterkiefers. Diese Kontakte liegen auf der
Okklusionsebene. Alle direkten Kontakte zwischen den Zähnen des Ober-
und Unterkiefers sind normalerweise auf den Kau – und Schluckakt
beschränkt;
– Beim Kauen ( ~ 40 Min / Tag ) betragen die Kräfte 20 – 30 Newton
– Beim Knirschen sind diese Belastungen wesentlich höher und können bis zu 950 Newton ansteigen.
Man unterscheidet zwischen zwei Scherkraftbelastungen:
1. Seitenzahnbelastung
Hier liegt die axiale Krafteinleitung bei zentrischer Abstützung im
Bereich hoher Kraftentladung von 300 – 500 Newton. Eine Entlastung
erfolgt bei Exkursionen durch die Funktion der Frontzahngruppe.
2. Frontzahnbelastung
Hier liegt die exzentrische Führung im Bereich geringerer
Kraftentladung von 150-180 Newton. Eine Entlastung erfolgt bei
zentrischer Belastung durch die Seitenzahngruppe.
Lat. nocere : Schaden
Ein Nozizeptor ist ein Rezeptor der auf eine drohende oder eintretende Verletzung des Körpergewebes reagiert.
Man differenziert zwischen
- Mechanorezeptoren, die auf starke, v.a. spitze Reize reagieren
- polymodale Nozizeptoren, die zusätzlich auch auf Hitze und starke chemische Reize reagieren
- polymodale Nozizeptoren, die auf alle drei Reize reagieren
Funktion der Nozizeptoren :
- Einfluss auf Motoneurone der Muskulatur des Achsenorgans, der Extremitäten, der Augen und des Kauapparates.
- Auslösung von Schmerzempfindungen.
- Einfluss auf das g – System der Muskelfunktionssteuerung, auf das
kardiovaskuläre und das respiratorische System und auf andere Funktionen
des ZNS. Da die überschwellige Reizung der Nozizeptoren meistens mit
Empfindung und Wahrnehmung von Schmerz einhergeht, hat man sie auch
„Schmerzrezeptoren“ genannt. Damit wird aber nur ein Aspekt des
Informationseffektes der Rezeptoren angesprochen; ein Effekt, der zwar
subjektiv sehr beeindruckend sein kann, der aber nur einen engen
Ausschnitt aus dem Aufgaben- und Leistungsspektrum des übergeordneten
nozifensiven Systems beschreibt.
Mit dem Ausdruck „ Nozizeptoren = Schadensmelder“ wird die
eigentliche Aufgabe dieses Rezeptorentyps beschrieben, die darin
besteht, Schäden wahrzunehmen und zu melden.
Alle peripheren Afferenzen, seien sie propriozeptiv oder nozizeptiv,
verlaufen ohne Unterbrechung durch die Hinterwurzel zum RM. Ein Großteil
der schnellleitenden großkalibrigen, propriozeptiven Fasersysteme
ziehen ohne Unterbrechung direkt zum Gehirn. Sie geben allerdings auf
der spinalen Schaltebene reichlich Fasern ab, die hemmend auf die
Nozizeptoren einwirken. Ein Teil der Propriozeption aus dem
Bewegungsapparat schaltet direkt zum motorischen Vorderhorn durch.
Autor : Hanns-Dieter Wolff aus „ Neurophysiologische Aspekte des Bewegungssystems „
Wenn der Biss nicht stimmt führt das zur Überlastung einzelner Zähne.
Es kommt zu:
- Abrasion
- Zahnhalsdefekten
- Brüchen an Kronen, Brücken und Zahnersatz
- Das Zahnfleisch geht zurück
- Die Zähne werden locker
Ein Schlagwort ist unter anderem der Begriff -CMD– der ein Synonym für Myoarthropathie, Costensyndrom, Temporomandibuläre Dysfunktion oder Kiefergelenksbeschwerden ist.
In der heutigen Zeit verschwindet in den Zahnarztpraxen das
Füllungsmaterial Amalgam weitgehendst aus der Zahnversorgung. Nicht nur
aus gesundheitlichen Gründen durch die damit u.U. verbundenen
elektrochemischen Probleme und der Quecksilberbelastung sondern auch aus
ästhetischen Gründen. An die Stelle der Amalgamfüllung rückte die
Kunststofffüllung. Diese ist eine Mischung aus Kunststoff und
Glaskeramik und bei weitem härter als Amalgam. Sie entspricht eher einer
Keramikfüllung die allerdings keiner großen Druckbelastung standhält.
Des weiteren als Füllmaterialien verwendet werden Zement – als
provisorisches Material mit geringer Abriebfestigkeit, Glasiomer Zement
der eine geringere Abreibfestigkeit wie Kompositfüllungen hat und
Kompomere die allerdings nur für kleinere Füllungen verwendet werden
können die keiner großen Kaudruckbelastung ausgesetzt sind.
Im Bereich des Zahnersatzes gibt es dann noch Kronen die als Zahnsubstanzersatz eingesetzt werden, Brücken, Teilprothesen und Vollprothesen, kombinierte Versorgungsformen und implantatgetragene Kronen.
Der Einfluss des Kiefergelenks auf die Statik
Das Kiefergelenk des Menschen ist funktionell betrachtet das oberste Kopfgelenk und somit in die gesamte Körperstatik integriert. Kiefergelenk und Kapsel-Bandapparat sind, ebenso wie die kurzen Halsmuskeln, die am knöchernen Schädel inserieren, bis zu 100x stärker von Nervenfasern durchsetzt. Dies ist wichtig, weil die Mundbewegungen sehr komplex sind und deshalb eine viel feinere Steuerung benötigen als z.B. Bein – oder Armmuskulatur. Auch bestehen sehr enge Funktionszusammenhänge mit den Ohren, den Augen und Halswirbelsäule bzw. der gesamten WS.
Bei einer gestörten Bisssituation findet laufend eine Irritation des zentralen Nervensystems statt, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der Gesamtkoordination führt. Das kann z.B. eine Belastungen durch einen Vorkontakt an Füllungen, Kronen oder Brücken sein die diese Störungen im gesamten System auslösen können .Schon geringste Abweichungen beeinträchtigen das sensible, komplex funktionierende Kausystem mit seinen umgebenden Strukturen. Dauert eine Belastung lange an und sind die körpereigenen Möglichkeiten des Ausgleichs erschöpft, manifestieren sich Schmerzzustände. So kann es zu Funktionsstörungen in Form von
- Kiefergelenksknacken
- Tinitus
- Ohrgeräusche
- Drehschwindel
- Kopfschmerzen, Migräne
- Nackenverspannungen
- Skoliose
- Rückenschmerzen
- Bandscheibenprolaps
- Hüftschmerzen
- Knieschmerzen
- Hallux rigidus
kommen.
Insbesondere die Bereiche C0/C1 und C7, Sacrum und Ilium -Position
können über die Muskelketten der Wirbelsäule durch eine Fehlposition des
Unterkiefers beeinflusst werden.
Ein minimaler Vorkontakt wird über die Aktivierung der Nozizeptoren
einen Druckausgleich im Kiefergelenk bedingen der über die Muskelketten
nach kaudal weitergeleitet wird. So wird sich diese mm Veränderung der
Bisssituation im Becken als cm Verschiebung zeigen. Wobei hier wiederum
dieser absteigend bedingte Beckenschiefstand zu Ausgleichschwingungen
der WS führt, da der Körper bemüht ist den Kopf gerade und die
Augenlinie horizontal zu stellen.
Krankhafte und verschleißbedingte Prozesse der tragenden Gelenke,
ursächliche und kompensatorische Blockierungen sowie Torsionsskoliosen
verändern die Bisssituation bzw. die Okklusionsebene und somit die
Druckbelastung der Kiefergelenke proportional zur veränderten
Körperstatik.
Schlussfolgernd und aus der Erfahrung heraus können Zahnversorgungen
absteigende Störungen auslösen die nicht immer sofort dem Biss
zugeordnet werden können. Ein dynamischer Fußabdruck in Verbindung mit
einer gründlichen Anamnese kann Hinweise auf absteigende Ursachen geben .
Ein darauf folgender Test bezugnehmend auf Okklusion und Statik
verdeutlicht sichtbar ein eventuell vorhandenes nozizeptives Element in
der Okklusion. Die Abklärung und Behebung der absteigenden Problematik
liegt dann in der Hand des Zahnmediziners.
So schließt sich der Kreis der interdisziplinären Zusammenarbeit zum Wohle des Patienten
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